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Optimierung Kraftwerk Aarau: Ein Projekt über die Kantonsgrenzen hinweg

03. Januar 2019

Im Mai 2017 hat Eniwa die Konzession für das Wasserkraftwerk Aarau angenommen. Seit der Auflage des Erneuerungsprojekts für das Kraftwerk im Jahr 2013 haben sich die Rahmenbedingungen wie Strommarkt, Währungssituation und regulatorische Vorgaben grundlegend verändert. Um diesen Rahmenbedingungen und den Anforderungen in Bezug auf Stromproduktion, Betrieb und Umweltverträglichkeit langfristig besser zu entsprechen, wurde zwischen 2017 und 2018 der geplante Kraftwerksneubau weiterentwickelt und optimiert.

Optimierung Kraftwerk Aarau: Ein Projekt über die Kantonsgrenzen hinweg

Das Optimierungskonzept besteht aus einem vollständigen Rückbau der heutigen Anlagen und einem Neubau mit Entkopplung der Funktionen Stromproduktion, Hochwasserentlastung und Fischaufstieg und -abstieg. Mit drei neuen fischfreundlichen Rohrturbinen kann, bis zum Vorliegen gesicherter Erkenntnisse zum Fischabstieg, bereits nach dem Umbau ein grosser Schritt zur Reduktion der Fischmortalität gemacht werden. Liegen dereinst neue Erkenntnisse vor, können weitere bauliche Anpassungen einfacher und ohne Einfluss auf die stets zu gewährleistende Hochwassersicherheit ausgeführt werden.

Zwei Projektänderungen und 13 neue Massnahmen
Aufgrund der völlig unterschiedlichen Geometrien der neuen Rohrturbinen und den heute eingesetzten Kaplan-Turbinen, können die Rohrturbinen nicht in die bestehenden Gebäude eingefügt werden. Deshalb hat sich Eniwa entschieden, auf nicht mehr benötigte Kraftwerkshallen komplett zu verzichten und nur noch die absolut notwendigen Kubaturen für die benötigten Funktionsgruppen zu bauen. Diese wurden durch Architekt und Landschaftsplaner gestaltet und optimiert, um den hohen Anforderungen an Funktionalität und Ästhetik zu genügen. Mit dem neuen Zentralendesign entsteht eine attraktive Transparenz im Aareraum: Vom Pont Neuf wird zukünftig nicht mehr die mächtige Silhouette der beiden Kraftwerkshallen und der Kraftwerksturm sichtbar sein, sondern der Blick in den Kanalraum bis nach Erlinsbach gewährt. Gleiches gilt natürlich auch für die Kanaluferwege, von welchen aus neu die Sicht auf die Altstadt Aarau gewährt wird.

Die zweite Projektänderung betrifft den vollständigen Rückbau des Mitteldamms, der aus der gestaffelten Bauphase der beiden Kanäle 1 und 2 vor über 100 Jahren stammt. Im bewilligten Projekt 2013 wurde bereits die Hälfte des noch bestehenden Mitteldamms entfernt. Mit der Optimierung 2019 soll nun auch der letzte rund 800 Meter lange Teil des Mitteldamms entfernt werden, was zu tieferen Bau- und Unterhaltskosten sowie zu einer höheren Produktionsleistung führt.

Die Optimierung des Aarauer Wasserkraftwerks ist nicht nur mit technischen Eingriffen, sondern auch mit einem reichhaltigen Auflagenpaket zugunsten der Umwelt, der Fischfauna und Wasserlebensräume sowie zugunsten des gesamten von der Wasserkraftnutzung betroffenen Raums als Naherholungsgebiet verbunden. Ein Teil der Massnahmen sind sogenannte «Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen» (AEM), also positive Veränderungen der Landschaft als Kompensation für die Beanspruchung der durch die Wasserkraftnutzung umgestalteten Landschaftsteile. Durch mehrere Massnahmen wie Wegverbreiterungen, neue Unterwasserbrücke, Neugestaltung des Inseli sowie weiterhin vier Brücken über den Kraftwerkskanal (die Kraftwerksbrücke, die Häsibrücke, der Aufeldsteg und die Kanalbrücke beim Wehr Schönenwerd) bleibt das Konzessionsgebiet als Freizeit- und Erholungsraum attraktiv. Mit weiteren Massnahmen entlang der Kanalböschungen und bei der Mündung Erzbach wird der ökologische Mehrwert des Mitteldamms kompensiert.

Wirtschaftlichkeit verbessert
Mit diesen beiden Projektanpassungen kann der Fischabstieg nach heutigen Erkenntnissen bestmöglich gewährleistet, die Produktion trotz Verdopplung der Restwassermenge um über 20 Prozent erhöht und die Produktionskosten, je nach Unterstützung für die Fischmigrationsmassnahmen und Fördermittelzusage des Bundes für das Projekt, auf Marktpreisniveau reduziert werden.

Das weitere Vorgehen
Am 10. Januar 2019 hat Eniwa sowohl die Mitglieder der von den beiden Kantonen eingeladenen Begleitgruppe wie auch die Bevölkerung über die beiden Änderungen informiert. Sowohl die Mitglieder der Begleitgruppe wie auch die Bevölkerung können nun in die Unterlagen Einsicht nehmen und an der Mitwirkung teilnehmen. Das Projektteam der Eniwa AG wird dann diese Anregungen prüfen und gegebenenfalls noch in die Projektierung einfliessen lassen. Noch vor den Sommerferien wird das vollständige Dossier mit den Projektanpassungen und notwendigen Ergänzungen den beiden Kantonen zur Vorprüfung und Bewilligung eingereicht. Eniwa geht davon aus, dass bis März 2020 alle notwendigen Bewilligungen vorliegen werden, damit anschliessend mit der Detailplanung und Ausführung gestartet werden kann.

Damit das heutige Kraftwerk zurückgebaut und das neue Kraftwerk erstellt werden kann, muss vorab das neue Unterwerk an der Erlinsbacherstrasse erbaut und in Betrieb sein. Da heute noch einige Netz- und Schaltfunktionen in den Gebäuden des Kraftwerks untergebracht sind, muss hier als erster Schritt eine vollständige Entflechtung durchgeführt werden, bevor mit dem Rückbau der Zentrale 2 gestartet werden kann.

Im Interesse aller
Eniwa hat sich wiederum im Bereich der Fischökologie mit mehreren Experten auseinandergesetzt und eine nach heutigem Wissensstand bestmögliche Lösung projektiert. Die aus Sicht der Umweltverbände wesentlichen Defizite des Projekts 2013 können mit den nun gewählten Lösungen behoben werden. Sollte es bereits im Rahmen der Mitwirkung kritische Hinweise geben, wird Eniwa das Gespräch suchen und die Hinweise prüfen.

Wenn alle Teilprojekte plangemäss durchgeführt werden können, wird Eniwa das neue Kraftwerk im Jahr 2024 am Netz haben und jährlich rund 130 GWh erneuerbare Energie aus Wasserkraft einspeisen können. Damit verbleiben wertvolle 61 Jahre für die Produktion und für die Amortisation der grossen Investition. Mit dem Wegfall der Kernenergie in den nächsten beiden Jahrzehnten wird die Laufwasserkraft zu einer noch wichtigeren Stütze der nationalen Stromversorgung, aber auch der regionalen Versorgung: 365 Tage im Jahr, Tag für Tag, Tag und Nacht.

 

Hintergrund

125 Jahre Strom für die Region
Das Kraftwerk Aarau weist eine lange Geschichte auf. Dank ihm konnte vor über 125 Jahren mit der Elektrifizierung der Region Aarau gestartet werden. In mehreren Ausbaustufen wurde das Kraftwerk immer wieder modifiziert und den Anforderungen und technischen Fortschritten angepasst. Zu Beginn wurde eine Leistung von rund 1000 PS installiert, mit dem Ausbau des zweiten, grösseren Kanals im Jahr 1960 wurde die heutige Leistung auf 24'000 PS oder 17'600 kW erhöht. Die durchschnittliche Jahresproduktion des Kraftwerks Aarau betrug in den letzten 20 Jahren 106 Millionen Kilowattstunden. Diese Menge reicht aus um 30'000 Haushalte während eines Jahres mit nachhaltig produzierten Strom zu versorgen. Die in Aarau produzierte Strommenge hat bis in die 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts den Bedarf des gesamten Versorgungsgebiets des damaligen Elektrizitätswerks Aarau (EWA) abdecken können. Mit der Bevölkerungsentwicklung, der Industrialisierung und der Elektrifizierung ist der Stromkonsum im Versorgungsgebiet auf jährlich rund 525 Millionen Kilowattstunden gestiegen. Damit produziert das Kraftwerk Aarau heute noch etwa ein Fünftel des jährlichen Bedarfs im Versorgungsgebiet.

Am 1. Januar 2018 wurde nach einer über zehnjährigen Planungs-, Evaluations- und Bewilligungsphase mit den beiden Kantonen Solothurn und Aargau die dritte Konzessionsperiode bis Ende 2085 in Angriff genommen. Das Kraftwerk wurde in einer ersten Konzessionsperiode von 1895 bis 1954 und in einer zweiten Konzessionsperiode von 1955 bis 2014 durch das Elektrizitätswerk Aarau (EWA), später IBAarau Kraftwerk AG betrieben. Die konzessionierte Wassermenge beträgt 420 m3/s, wobei mit einer saisonalen Abstufung zukünftig durchschnittlich 20m3/s in den Aare-Altlauf fliessen müssen. Diese Menge entspricht einer Verdoppelung gegenüber der heutigen Restwassermenge. Während die Kantone Solothurn und Aargau rechtzeitig die Konzession für den Weiterbetrieb des Kraftwerks Aarau mit den entsprechenden Erneuerungen und Anpassungen bewilligten, legten die Fischereiverbände im Frühjahr 2015 Einsprache gegen den Entscheid des Aargauer Regierungsrates ein und verlangten weitergehende Untersuchungen und Optimierungen für die Fischgängigkeit, insbesondere für den Fischabstieg. Vor dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau wurde jedoch das bewilligte Projekt als in allen Punkten den aktuellen Vorschriften und Kenntnissen entsprechend beurteilt und die Einsprache vollumfänglich zurückgewiesen. Nichtsdestotrotz hat die Einsprache dazu geführt, dass sich das Projektteam der Eniwa AG nochmals intensiv mit dem Thema der zukünftigen Fischabstiegslösung auseinandergesetzt hat. Dies führte zur Erkenntnis, dass die im 2013 zur Bewilligung eingereichte Umbaulösung der Kraftwerkszentralen 1 und 2 bezüglich späteren Anpassungen für den Fischabstieg nicht optimal war und insbesondere der für 2035 geplante Retrofit der alten Kaplanturbinen ohne Schutzmassnahmen für die Fische als kritisch beurteilt werden musste. Zudem war zu befürchten, dass im Falle einer späteren baulichen Anpassung für die Fischlenkung vor den beiden neuen Rohrturbinen der Zentrale 2, die beiden Hochwasserklappen ihre Funktionalität bei höherem Geschwemmselanfall nicht mehr hätten gewährleisten können. Aus den Überlegungen und weiterem Variantenstudium ist in den Jahren 2016 und 2017 das neue Konzept für die Kraftwerkszentrale Aarau entstanden.